Die transformative Kraft des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz

Im Jahr 1989 begann Sir Berners-Lee für seinen damaligen Arbeitgeber CERN mit der Arbeit an einem Projekt, das den weltweiten Austausch von Informationen über eine Netzwerk-Infrastruktur ermöglichen sollte. Im Zuge dessen entwickelte er unter anderem den ersten Internetbrowser. Mit seiner Erfindung hat Berners-Lee die Art und Weise, wie Menschen mit Technologie kommunizieren, grundlegend und nachhaltig verändert.

Die Auswirkungen seiner Erfindung waren weitreichend - und sind es noch heute:

• Der Zugang zu Informationen wurde einfacher und effizienter. Menschen haben seitdem Zugriff auf eine breite Palette von Informationen aus verschiedenen Quellen, was zu einer beispiellosen Verbreitung und Verfügbarkeit von Wissen geführt hat.
• Die Kommunikation zwischen Menschen, auch über geografische Grenzen hinweg, wurde revolutioniert: E-Mail, Foren, Chats und soziale Medien sind Beispiele für Kommunikationswerkzeuge, die erst durch das Web möglich wurden. Heute können sich Menschen leichter denn je vernetzen, Ideen austauschen und zusammenarbeiten.
• Der Zugang zu Unterhaltung und Medien hat sich in bis dahin ungeahntem Ausmaß erweitert. Streaming-Dienste, Online-Medienplattformen, Videoportale und soziale Netzwerke haben neue Möglichkeiten für den Konsum von Musik, Filmen, Nachrichten und anderen Inhalten geschaffen.
• Der Online-Handel hat zu einem dramatischen Wandel im Konsumverhalten geführt. Menschen können Produkte und Dienstleistungen online kaufen, wodurch sich der Zugang zu globalen Märkten öffnet und der Handel insgesamt erleichtert wird.
• Das Web hat außerdem die Arbeitsweise in vielen Bereichen transformiert. Remote-Work, digitale Tools zur Zusammenarbeit, Cloud-Speicher und Online-Dienste ermöglichen es Menschen, von verschiedenen Orten aus zusammenzuarbeiten, was vielerorts zu gesteigerter Effizienz und Flexibilität in der Arbeitswelt geführt hat.
  

Ähnlich wie der erste Internetbrowser wird auch künstliche Intelligenz (KI) den Umgang mit Technologie von Grund auf verändern, die aktuell so populären generativen KIs (generative Artificial Intelligence / GenAI) spielen dabei eine besondere Rolle. Die Auswirkungen dieser Weiterentwicklung der Kommunikation zwischen Mensch und Technologie stehen zwar noch nicht fest, mit Blick auf die Geschäftswelt teile ich aber die Ansicht von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil: „Ab 2035 wird es keinen Job mehr geben, der nichts mit KI zu tun hat.“

Derzeit erleben wir, wie GenAI explosionsartig an Popularität in der Arbeitswelt gewinnt und bereits beginnt, sie zu verändern. Dies hat unter anderem zwei Gründe: (1) weil sie so einfach zu bedienen ist, (2) weil ihr erfolgreicher Einsatz großen Mehrwert und Nutzen verspricht und gleich mehrere akute Probleme aufgreift:

• Die Automatisierung repetitiver und zeitaufwändiger Aufgaben durch GenAI entlastet Mitarbeiter und ermöglicht ihnen sich auf anspruchsvollere und kreative Tätigkeiten zu konzentrieren. GenAI kann die Produktivität steigern und die Fehlerquote senken, indem sie bei der Analyse unstrukturierter Daten hilft und die Entscheidungsfindung unterstützt.
• Durch den Einsatz von GenAI kann die Markteinführung von Produkten beschleunigt werden, indem beispielsweise die Ideenfindung und Konzeptentwicklung durch die Auswertung großer Datenmengen unterstützt oder die Erstellung von Prototypen, die sich stärker an den Kundenwünschen orientieren, erleichtert wird.
• GenAI kann einen Beitrag dazu leisten den Austausch zwischen Verbrauchern und Marken zu intensivieren und zu stärken, indem sie einen personalisierten, wechselseitigen Dialog fördert, der auf einem differenzierten Verständnis der Wünsche und Bedürfnisse der Verbraucher basiert.
• Ein Aspekt, der in seiner Tragweite oft übersehen und unterschätzt wird, ist, dass GenAI vielen Unternehmen dabei helfen kann, ihre Digitalisierung zu vereinfachen und zu beschleunigen, da durch ihren Einsatz die Interaktion von Mensch und Technologie auch für weniger qualifizierte Mitarbeiter leichter möglich wird.

Aber nicht alle Branchen profitieren gleichermaßen von GenAI. Das Transportwesen, die Fertigung und das Gesundheitswesen werden als erste Bereiche tiefgreifende Veränderungen erleben.

Eine weitere Branche, die sich besonders gut für den Einsatz von KI eignet, sind Versicherungen. Hier dreht sich vieles um Wahrscheinlichkeiten und Statistiken, was ein ideales Betätigungsfeld für KI darstellt. GenAI kann große Datenmengen aus Kundenfeedback, Schadensfällen, Aufzeichnungen über den Klimawandel, lokalen Wettermustern, wirtschaftlichen Bedingungen und demografischen Trends herausziehen. Diese Daten können, wenn sie in MaschineLearning/KI-Modelle eingespeist werden, Underwritern (Versicherungsmitarbeiter, die Anträge prüfen, Risiken einschätzen und Verträge abschließen) und Versicherungsmathematikern tiefere Einblicke gewähren. Dies ermöglicht eine bessere Risikobewertung und Preisgestaltung, um die Bearbeitung von Schadensfällen effektiv und effizient zu gestalten.

Der Einsatz von KI in Versicherungskonzernen verspricht je nach Bereich einen besonderen Mehrwert:

• Produktmanagement und Innovation: GenAI kann Kundenfeedback zu verschiedenen Versicherungsprodukten extrahieren, analysieren und aggregieren. Dies hilft bei der Entwicklung neuer Produkte und beschleunigt den Produktentwicklungszyklus.
• Bessere Policen und besseres Schadenmanagement: KI kann durch die Analyse großer Mengen unstrukturierter Daten, wie z. B. Kundenrezensionen, Beiträgen in sozialen Medien und Presseberichten, potenzielle Risiken identifizieren und Informationen für schnellere und bessere Underwriting-Entscheidungen liefern.
• Verbesserte Kommunikation und verbesserter Kundenservice: GenAI kann automatisch leicht verständliche Zusammenfassungen von Policen und Erklärungen zum Versicherungsschutz generieren. Diese können auch in Form eines wechselseitigen Dialogs – zum Beispiel in mittels eines Chatbots - für Kunden bereitgestellt werden, wodurch die Kommunikation und in letzter Konsequenz die Kundenbeziehung verbessert werden kann.
  

Bereits heute nutzen Versicherungen KI. Um keine Marktanteile an neue Insurtech-Unternehmen zu verlieren, musste beispielsweise einer der größten globalen Rückversicherer seine Reaktionszeit im Underwriting drastisch beschleunigen. Das Unternehmen entschied sich für eine konsequente Neugestaltung interner Prozesse und eine vollständige digitale Transformation seiner IT-Systeme. Eines der Ziele war dabei, die Grundlagen für Technologien der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens zu schaffen. Dadurch gelang es dem Versicherungsunternehmen, den Underwriting-Prozess nachhaltig zu beschleunigen, die Effizienz zu steigern und gleichzeitig die Risikoanalyse zu verbessern. Die automatisierte Verarbeitung von Daten und die Anwendung von KI-Algorithmen führten außerdem zu einer genaueren und konsistenteren Risikobewertung.

Im Rahmen dieser Transformation hat sich auch gezeigt, dass erst die Kombination von menschlichem Fachwissen mit der technologischen Effizienz und Präzision künstlicher Intelligenz zu optimalen Ergebnissen geführt hat.

Wenn ein Unternehmen sich mit dem Thema der Einführung von GenAI beschäftigt, sollte es als erstes einen klaren Plan und eine Strategie entwickeln. Dazu gehört, die geschäftlichen Ziele und Herausforderungen zu identifizieren und zu benennen, die durch den Einsatz der GenAI angegangen werden sollen; dies führt automatisch zu einer Priorisierung von Problembereichen, an denen gearbeitet werden soll. Anschließend sollten die erforderlichen Datenquellen identifiziert und analysiert werden, um sicherzustellen, dass ausreichend qualitativ hochwertige Daten für die Analyse vorhanden sind.

Der nächste Schritt besteht darin, ein Team zusammenzustellen, das über das nötige Fachwissen in den Bereichen Datenwissenschaft, künstliche Intelligenz und Softwareentwicklung verfügt. An dieser Stelle kann es sinnvoll sein, mit externen Partnern zusammenzuarbeiten, um zusätzliches Fachwissen und Unterstützung zu erhalten.

Sobald das Team und die Ressourcen vorhanden sind, können Unternehmen mit der Entwicklung und dem Training ihrer KI-Modelle beginnen. Um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen, ist es wichtig, diesen Prozess kontinuierlich zu verfolgen und die angewendeten Modelle regelmäßig zu optimieren. So können Risiken minimiert und KI-Bias frühzeitig erkannt werden.

Erkenntnisse, die mit Hilfe von KI gewonnen werden, zeichnen sich oft dadurch aus, dass sie einen ganzheitlicheren und detailreicheren Blick ermöglichen als rein menschliche Bewertungen. Die Integration von KI in Geschäftsprozesse erfordert jedoch ein strukturiertes Änderungsmanagement: Mensch, Prozesse und Technologie müssen in Einklang mit dem Rhythmus der KI-Entwicklung gebracht werden.

Der erfolgreiche Einsatz von (generativer) KI erfordert ein kontinuierliches Management und eine fortwährende Kontrolle der Datenqualität sowie der eingesetzten Technologie, damit Vertrauen und Sicherheit durch das Einziehen geeigneter Leitplanken sichergestellt werden können. Es handelt sich um eine evolutionäre Disziplin, die eher einer Reise als einem Ziel gleicht. Und es bedarf einer grundlegenden und kontinuierlichen Bereitschaft zu lernen, zu experimentieren und Innovationen gegenüber offen zu sein, um künstliche Intelligenz zum Wohl eines Unternehmens und der Mitarbeiter einzusetzen zu können.

KI wird zahlreiche Geschäftsmodelle grundlegend infrage stellen und Abläufe in Unternehmen verändern. Die Dynamik der Entwicklung ist hoch und obwohl GenAI noch eine sehr junge Technologie ist, ist es wichtig, keine Zeit zu verlieren, und sich intensiv damit zu beschäftigen: um die zahlreichen Vorteile dieser Technologie in Zukunft nutzen zu können und um zu zeigen, wie sie sich auf das eigene Geschäftsmodell auswirken wird.