Digital First bei der Autofinanzierung
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Digital First bei der Autofinanzierung

Während die Automobilindustrie sich weiter transformiert, werden Automotive Captives ihre Organisationen anpassen und umgestalten, um agiler zu werden

Die Automobilindustrie befindet sich seit Jahren in einem grundlegenden und umfassenden Wandel. Auch im kommenden Jahr werden Einflüsse wie anhaltende Lieferengpässe bei Halbleitern, die Energiekrise, unterbrochene Lieferketten, eine sinkende Kaufneigung im Zuge hoher Inflationsraten, gestiegene Zinssätze und Risikoprämien und die drohende Gefahr der Überschuldung von Konsumenten aufgrund weiter steigender Lebenshaltungskosten für Druck sorgen. Die Transformation wird sich auch in 2023 fortsetzen und an verschiedenen Stellen weithin sichtbar werden. Damit einher geht ein – wenn auch deutlich langsamer als von vielen Experten erwartet und medial vermittelt – Wandel des Mobilitätsverhaltens: Besonders in Metropolregionen wird eine individuelle, multimodale Form der Mobilität an Bedeutung gewinnen und der Besitz eines eigenen Fahrzeugs an Attraktivität verlieren. Das persönliche Fahrzeug wird jedoch keineswegs verschwinden, sondern auch in Zukunft der wichtigste Hauptverkehrslastträger bleiben.

Auto-Abos profitieren von der Antriebswende

Verschiedene sich gegenseitig verstärkende Entwicklungen schaffen ein gutes Klima für ein starkes Wachstum von Auto-Abos, ausgehend von einem derzeit noch niedrigen Volumen. So wird beispielsweise die politisch und gesellschaftlich gewollte und geförderte Verbreitung von Elektrofahrzeugen dazu beitragen, dass Auto-Abos für immer Menschen attraktiv werden. Sie ermöglichen Fahrern, die der E-Mobilität abwartend gegenüberstehen, einen ersten flexiblen Einstieg in das Thema ohne langfristige Bindung – anders als dies beim klassischen Leasing oder gar beim Kauf eines Fahrzeugs wäre.

Auch für die Autohersteller und deren Finanzierer eröffnen Auto-Abos neue Möglichkeiten: Zum einen können sie als Einstieg in Marktplatzmodelle dienen, bei denen Kunden nach Bedarf und Interesse einzelne Leistungen im Fahrzeug dazubuchen oder abbestellen können. Zum anderen erwarten verschiedene Analysten, dass mit Hilfe von Auto-Abos Neukunden aus der Gruppe der bisherigen Nichtfahrer gewonnen werden können; so rechnet etwa die Strategieberatung Berylls mit bis zu 1,3 Millionen potenziellen Neukunden.

Für den Handel stellen Auto-Abos bereits heute eine interessante Ergänzung dar, erlauben sie doch in Zeiten von langen Lieferfristen für Neufahrzeuge kurzfristige Alternativen und Überbrückungen durch Gebraucht- und Vorführfahrzeuge als auch die Ansprache neuer Kundenkreise.

Agenturmodell auch als Game Changer für Autobanken

Bereits seit einiger Zeit arbeiten die meisten Automobilhersteller an der Einführung eines - mehr oder weniger - echten Agenturmodells. Hier erwarten eine zunehmende Dynamik, sobald Hersteller und Händlerverbände sich auf die konkrete Ausgestaltung künftiger Agenturmodelle einschließlich eines für den Handel zukunftsfähigen Verdienst- und Provisionsmodells verständigt haben.

Davon wird abhängen, ob Händler die Agenturmodelle als Bedrohung ihres eigenen Unternehmertums verstehen - inklusive des von manchem befürchteten Verlusts der Hoheit über den so wichtigen Kontakt zum Kunden. So beobachten wir derzeit beispielsweise verstärkte Überlegungen im Handel, durch eine forcierte Mehrmarken-Strategie die Abhängigkeit von einzelnen Herstellern zu reduzieren. Auch die Gewährleistung der Beteiligung am Gebrauchtwagengeschäft als Kernbetätigungsfeld ist ein brandaktuelles Thema für viele Händler in Bezug auf die zukünftige Zusammenarbeit mit Herstellern und Banken.

Das Agenturmodell wird Auswirkungen auf alle Autobanken haben; die großen Profiteure stehen aktuell noch nicht fest. Ein Wegfall der Händlereinkaufsfinanzierung wird unmittelbar Einfluss auf das Finanzierungsvolumen haben. Hausbanken haben im Rahmen der Zugehörigkeit zu ihren Bankengruppen die Möglichkeit, durch Upstream-Finanzierungslösungen für Hersteller und deren Importeurs-Gesellschaften für teilweisen Ausgleich zu sorgen. Weiterhin beobachten wir, dass sich speziell Mehrmarkenhändler derzeit verstärkt nach Bankpartnern umsehen, die ihre Unabhängigkeit unterstützen.

Die Herstellerbanken dagegen entwickeln attraktive Produkt- und Servicespakete und Abo-Angebote sowohl für Neu- als auch für Gebrauchtfahrzeuge im Rahmen von neuartigen Vehicle-Lifetime-Konzepten, befeuert durch den Trend zu E-Mobilität. Dies erlaubt den Herstellern und ihren Banken, einen noch höheren Anteil der Fahrzeuge sowie Finanzierungen und Services über den gesamten Lebensnutzenzyklus im eigenen Markenökosystem zu behalten.

Digital First – Customer First

Ein zentrales Thema wird auch in 2023 die Umsetzung der sog. 'Digital First' Strategie bei der Autofinanzierung sein, eingebettet in eine Omnikanalstrategie, die den Kunden den nahtlosen Wechsel zwischen online und offline nach ihren Präferenzen ermöglicht. Der Handel wird auch in 2023 und darüber hinaus ein bedeutender, vom Kunden geforderter Baustein beim Autokauf und der Autofinanzierung bleiben, jedoch noch besser und noch digitaler integriert in die Abläufe.

Last but not least befindet sich die Branche in einer tiefgreifenden Veränderung von einem produkt- zu einem kundenzentrierten Ansatz. Customer-Lifetime-Konzepte, Customer Advocacy, Moments of Happiness, Hyperpersonalisierung, Gamification sind einige der aktuellen Trendthemen.

Diejenigen Autobanken, die den Spagat aus technischer Umsetzung mittels größtenteils digitalisierter, selbstlernender und datengesteuerter Prozesse und dem einhergehenden kulturellen Wandel am besten meistern, werden am Ende die Gewinner bei den Kunden und Händlern sein.

Der Artikel wurde durch " AUTOHAUS 3-4/2023 " veröffentlich. Author: Peter Jobst, Auto Finance & Mobility Partner, Genpact Germany.

Informationen wie Genpact Banken und konzerneigenen Autofinanzierern bei der Digitalisierung unterstützen kann finden Sie auf unserer Website für Automotive Finance und Mobility

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